Ulrich Behl
Eine Rundstange, die sich durch zwei Abstandshalter von der rückwärtigen hochrechteckigen Platte absetzt, gibt eine denkbar einfache plastische Konstellation vor. In Variationen wurden auch mehrere Stangen in unterschiedlicher Stärke übereinander angeordnet oder eine Winkelform auf der Platte in gleicher Weise über eine 45-Grad-Diagonale montiert. Ulrich Behl ließ seine Objektserie aus poliertem Edelstahl fertigen, und diese erinnert allenthalben an technoide, industriell gefertigte Gebrauchsgegenstände. Nach eigenem Bekunden erzeugte das Gehäuse eines Aufzugs mit vorgeblendeter Handstütze eine kompositorische Vorgabe, wobei diese jedoch neutralisiert und in ein begrenztes Format überführt wurde. Bildwürdigkeit hingegen resultiert aus geometrisch-konstruktiver Strenge und ihrem Materialcharakter.
Was sich auf den ersten Blick womöglich denkbar einfach ausnimmt, entpuppt sich bei eingehender Betrachtung als ein ausgreifendes plastisches Konzept, in dem die stereometrische Form ihre Apodiktik im lichtbrechenden metallischen Widerschein verloren hat. Behls Bildanlagen sind just darauf ausgerichtet. Nicht nur, dass sie sich jedweder plastischen Schwere entledigen. Sie büßen die vorgegebene Konturierung ein, werden zur offenen Form und suchen nicht zuletzt den engen Schulterschluss mit den Zeichnungen. Und der liegt zuvorderst in den Erscheinungsweisen des Wirklichen, wobei die akribisch mit spitzem Stift ausgeführten Blätter in strengen Ordnungsgefügen modulierte Formvariationen jenseits des Inhaltlichen bezeugen und ziemlich unverstellt auf eine in hohem Maße dynamisierte Lichterfahrung abheben. Das Licht entlässt die Form in einem grafisch sichtbar gemachten Prozess. Es wirkt zugleich modulierend und drängt, zumindest im Ansatz, auf metamorph begründete Verstetigung, wohingegen die zahlreichen mit diaphanem Papier bespannten geometrischen Objekte für einen optisch strukturierten, zugleich distanziert vorgetragenen, perzeptiven Ausgleich sorgen.
In der Objektserie Widerschein des Konkreten verkehrt Behl noch einmal die Vorzeichen, indem er den grafisch-luziden Flow mit einer gleichmäßigen plastischen Vorgabe verbindet. Licht als unbestimmbare natürlich-räumliche Größe wendet sich unumwunden gegen die demonstrativ vorgehaltene plastische Form, entfaltet auf dieser ihr energetisch-unkontrollierbares Potenzial und hinterlässt auf der rückwärtigen Platte einen in seiner Tiefenorientierung gleichermaßen unbestimmbaren Schatten. Erfahrung des Wirklichen erschließt sich aus einem optisch bedingten, ins Gegenpolig-Unendliche abdriftenden Spagat.
Dr. Uwe Haupenthal (Aus: OutsideInside - 20 Jahre Herbert Gerisch-Stiftung)